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Einer muss den Mund aufmachen
25 Jahre ehrenamtliches Engagement für Exhibitionisten

von Alfred Esser

Ich bin ein Mann, und ich bin auch Exhibitionist. Es ist ein Teil meiner selbst, und ich habe gelernt, gesell-schaftsverantwortlich mit meiner sexuellen Ausrichtung zu leben. Und ich engagiere mich zu meinem Thema. Und dann heiße ich Alfred Esser. Vor 25 Jahren gründete ich den Gesprächskreis für Exhibitionisten in Dort-mund mit der Hilfe des Gesundheitsamtes und der K.I.S.S – wie die Selbsthilfe-Kontaktstelle damals hieß. In dieser Zeit habe ich eine Menge bei mir und anderen bewegt.

Mir ist und war bewusst, dass Sexualität wie Essen und Trinken zu uns Menschen gehört, und so verschieden wir Menschen sind, sind wir auch dabei. Seit Menschengedenken gibt es z. B. Homosexualität, Bisexualität, Transsexualität, Prostitution und eben auch Exhibitionismus. Da über das Thema Exhibitionismus wenig Kon-kretes bekannt ist und war, es nur Spekulationen, Klischees und Vorurteile zu hören und zu lesen gibt und gab, wollte ich als Betroffener mehr und Genaueres darüber erfahren.
Aus diesem Grund, der allgemeinen Hilflosigkeit und einem gewissen juristischen Druck, beschloss ich, etwas dagegen zu tun, indem
ich diese Selbsthilfegruppe im März 1988 gründete. Vorrangig geht und ging es mir dabei um Exhibitionismus vor erwachsenen Frauen.

Meine Motivation:
Für mich und das Leid anderer …
Diese einmalige “Einrichtung” in Deutschland steht und fällt - leider - mit meiner Person. Der männliche Exhibi-tionismus (die sexuelle Lust am Zeigen) ist nach wie vor ein stark vernachlässigtes, gesellschaftliches Tabuthe-ma ohne Lobby.
Warum ich solange durchgehalten habe, liegt mit daran, dass sich keine Betroffenen finden lassen, die sich dafür engagieren oder sich dafür stark machen. Den gesellschaftlichen Risiken, die damit verbunden sind, möchte sich offensichtlich niemand freiwillig aussetzen.
Ein weiterer Grund für meine Ausdauer ist auch das große Leid mancher Betroffener, das durch diese noch unerforschte “Neigung, einer sexuelle Präferenz” bei ihnen verursacht wird und sie daher sehr dankbar sind, einen Ansprechpartner zu haben.

Mein Bestreben war daher von Anfang an mehr und Genaueres über ein geächtetes kriminalisiertes Verhalten zu erfahren. Das ist nun mal am besten möglich, wenn man sich mit Betroffenen darüber austauscht. Diese Erfahrungen und das gewonnene Wissen sind die Grundlagen, um entsprechend aufklären, helfen und unter-stützen zu können.
Zu Beginn - in den ersten Monaten der Gruppenabende - kamen mir meine eigenen Therapie-Erfahrungen zugute und die erforderliche Weiterbildung, eine Gruppe zu leiten. Für mich war es eine ungeheuere Erleichte-rung, endlich mit Männern sprechen zu können, die unter derselben oder ähnlichen sexuellen Präferenz unter Druck standen und zu leiden hatten - ohne die juristische Keule im Nacken zu verspüren. Dabei konnte ich im-mer wieder feststellen, dass andere Betroffene sehr verzweifelt und oftmals noch schlimmer als ich dran wa-ren. Es war für alle Gruppenteilnehmer eine Wohltat, sich auszutauschen, nicht mehr allein sein Problem mit sich herumschleppen zu müssen.

…und gegen das Unwissen
Nachdem ich bei unseren Gruppentreffen auch immer wieder von Betroffenen über überforderte, unsachliche und nicht qualifizierte Therapeuten hörte, die völlig unterschiedliche und nicht fundierte Ansichten hatten (bis auf wenige Ausnahmen), wollte ich es wissen. Ich wollte es selbst herausfinden, genauere Erkenntnisse erlan-gen, um entsprechend fachlich und sachlich zu diesem heiklen Thema Gehör zu finden. Das wurde dann auch für mich zusätzlich zu meiner Berufstätigkeit zu einer Lebensaufgabe:
Ich setze mich seitdem vorrangig mit einem (für die einen ein witziges, für die anderen ein geächtetes) Tabu-thema auseinander, helfe Betroffenen und kläre die Öffentlichkeit und alle, die auch beruflich mit dem Thema Exhibitionismus zu tun haben, auf.


Das Internet wirkt auf Kontakte


Nun hat sich in den 25 Jahren doch einiges geändert: In den ersten Jahren kamen um die 20 Betroffene zu den Gruppenabenden, die 2 Mal im Monat in Räumlichkeiten des Gesundheitsamtes stattfanden. Die Meisten ka-men jedoch nicht freiwillig, sondern wegen der juristischen Auflage, weil sie mit ihrem “Tun” gegen das Gesetz verstossen haben. Heute sind die Gruppenabende (nur noch 1 mal im Monat) mehr eine Durchlaufstation und werden nur noch von wenigen Betroffenen persönlich genutzt.

Als das Internet immer bekannter und gesellschaftsfähiger wurde, änderte sich auch der Austausch mit Betrof-fenen und damit auch das Gruppentreffen an sich. Wegen der grossen Scham, Peinlichkeit und Angst, von je-mandem erkannt zu werden, fällt es den Betroffenen wesentlich leichter, sich zu öffnen - und sie nutzen daher vorrangig die Möglichkeit der virtuellen Kommunikation. Sie setzen sich anonym mit mir in Verbindung, um über ihr Problem und ihre Situation zu reden. Dabei geht es um therapeutische, juristische und gesellschaftli-che Bereiche. Es vergeht kaum ein Tag, an dem ich nicht mit Personen - entweder per Telefon (anonym) oder per Mail diesen Kontakt habe.
Es sind aber nicht nur Betroffene, sondern auch Angehörige oder Interessierte, die über das Thema etwas wis-sen möchten und kompetente Beratung und Information aus der Betroffenen-Sicht suchen. Es kontaktieren mich und die Gruppe auch Menschen aus beruflichen Gründen (interessanterweise fast nur Frauen), beispiels-weise anlässlich ihrer Diplomarbeit oder Bachelor Thesis im Fachbereich Kriminologie, um nicht nur von der juristischen Seite, sondern auch von der Betroffenenseite etwas Konkreteres zu erfahren.


Ehrenamtliches Engagement auf Dauer?

Mein Engagement hat also nie vor der Tür zum Gruppentreffen geendet. Aus meinen langjährigen Erfahrungen und den daraus gewonnenen Kenntnissen und Wissen habe ich allerhand veröffentlichen können: 1996 das Sachbuch "Zeigen verboten - Exhibitionismus, ein verkanntes Problem“, im Jahr 2006 eine Broschüre mit dem Titel “Fakten und Wissenswertes zum Tabuthema Exhibitionismus“ - die kostenlos im Internet heruntergela-den werden kann. Dazu kommen Kommentare zu Presseberichten, die zur Aufklärung und Richtigstellung der Problematik beitragen sollen.

Wie lange ich letztlich mich noch für dieses brisante und hochinteressante Thema einsetzen werde? Vermutlich so lange wie ich noch benötigt und gefragt bin und solange ich durch die Selbsthilfekontaktstellen und das Dortmunder Gesundheitsamt unterstützt werde.


Infokasten:
Die Selbsthilfegruppe Exhibitionisten trifft sich jeden 1. Dienstag im Monat abends in Dortmund.

Kontakt:
Mail: esseralfred@aol.com 
und über die Selbsthilfe-Kontaktstelle Dortmund, Telefon: 0231-50 90 97
 

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