Thema: Re: pressemitteilung
Datum: 08.11.2001
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Hallo Dirk,

vielen Dank für Dein Engagement. Ich habe Deinen interessanten Hinweis an einige Betroffene weitergeleitet. Du meinst sicher die URL

http://www.gigi-online.de/chronik14.html
Gigi - Zeitschrift fuer sexuelle Emanzipation

unter der der nachfolgende Text nachzulesen ist. Solltest Du noch andere Hinweise darauf haben, daß schwuler Sex in der Öffentlichkeit nach § 183 geahndet wird, bitte ich um Mitteilung. Ich möchte der Sache nachgehen und Kontakt zu einem mir persönlich bekannten schwulen Polizeibeamten in Braunschweig aufnehmen. Ich finde dieses Vorgehen ungeheuerlich und einen Rückschritt ins tiefste Mittelalter bzw in die Nachkriegszeit. Das geht soweit, daß Homosexualität gar irgendwann auch bei uns mit dem Tode bestraft wird. Wir gehen offenbar furchtbaren Zeiten entgegen.

Schwule cruisen nicht irgendwo, sondern auf bekannten Plätzen, die zwar öffentlich sind, jedoch meist erst in der Dunkelheit aufgesucht und von "normalen" Passanten kaum noch frequentiert werden. Bisland hatte sich niemand daran gestört, weshalb plötzlich jetzt? Haben die Behörden (gerade in einer Zeit des Terrors) nichts anderes zu tun, als einer Minderheit wieder Knüppel zwischen die Beine zu legen? Im übrigen nimmt der klassische Exhibitionist an sich selbst sexuelle Handlungen vor. Die Gesetzeslage sieht allerdings vor, jede sexuelle Handlung, egal in welcher Form, strafrechtlich zu verfolgen. Nun hat irgend so ein Moralistenschwein diese Lücke vermutlich bei den Schwulen entdeckt und ruft damit indirekt auf zu neuen Agressionen. Halte mich bitte auf dem Laufenden. Nochmals Dank und

viele Grüße
Achim

Exhibitionismus - ein mißverstandenes Phänomen



--------- Text aus der Webseite ----------

Im Jahre 2001

In einer Queer-Kolumne schreibt die neue Leiterin des Kölner LSVD-Anti-Gewalt-Projekts, Susanne Indorf: “Das Homoehe-Gesetz darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass dies schwulen Cruising-Gän-gern ... noch keine gesell-schaftliche Anerkennung bescheren wird.” Vielmehr sei festzustellen, dass Parkplätze und Parkanlagen “mancherorts zu Hochsicherheitszonen zu mutieren scheinen, um die Allgemeinbevölkerung vor ‘schädlichen’ Umtrieben zu schützen.”

Am 19. Januar stürmt die Polizei in einer “überfallartigen Aktion” (Queer) die Schwulensaunen in Essen, Düsseldorf und Köln. Personalien vieler Gäste werden erfasst und Videos angefertigt. In Frankfurt a. M. endet ein monatelanger “Toilettenstreit” mit der Privatisierung von 58 öffentlichen WCs. Wegen der “Schäden an der Vegetation” im Berliner Tiergarten will der CDU-Stadtrat Dirk Lamprecht Teile des Parks mit einem Zaun abriegeln; sämtliche Büsche in traditionellen Cruising-Arealen werden beseitigt. In Bochum werden die letzten Klappen am Hauptbahnhof geschlossen. Im Kölner Raum kontrolliert die Polizei zahlreiche Parkplätze und spricht Platzverweise aus, um “homosexuelle Straftaten” zu verhindern.

Am 26. Februar sind die Szenekneipe Wunderbar und ein Pornokino in Hamburg Schauplatz einer Großrazzia, bei der rund 350 Menschen erkennungsdienstlich behandelt und zur “freiwilligen” Abgabe von Speichelproben für die Gen-Datei gedrängt werden. Die Polizei hat Pressevertreter geladen, den Einsatz zu begleiten – mindestens ein Mann wird geoutet. Die Polizei plant weitere Razzien. Beim CSD entfernt die Polizei auf Veranlassung des CSD e.V. einen als Genlabor dekorierten Wagen der Abnormals Anonymous. In Stuttgart will das Bauamt die Schwulensauna Viva wegen ihres “Bordellcharakters” schließen.

Der rot-grüne Entwurf für ein neues Datenschutzgesetz erlaubt die Speicherung von Angaben über das “Sexualleben”. Am 1. Juni bringt Bayern – unterstützt von Sachsen, Thüringen und Hessen – einen Gesetzentwurf “Zur Erweiterung des Einsatzes der DNA-Analyse” in den Bundesrat ein, wonach künftig Daten über Täter gespeichert werden sollen, die wegen “Beleidigung” sowie “sonstigen Vergehen mit sexuellem Hintergrund” verurteilt wurden. CSU-MdBs fordern, “
Exhibitionisten und Spanner” – also auch Klap-pen-gän-ger und Cruiser – sowie “Busengrap-scher und obszöne Anrufer” als potentielle Sexverbrecher zu speichern: “Hier kommt auch als Maßnahme die chemische Kastration in Betracht.” In Kooperation mit Schwulengruppen und der örtlichen Polizei werden “mit großem Erfolg Info- und Diskussionsabende in Oldenburg, Hannover, Göttingen und Braunschweig organisiert. Als Experte war jeweils André Zwiers dabei” (Box) vom LSVD Dortmund. Beim Greifs-walder CSD stellt sich ein Arbeitskreis lesbisch-schwuler PolizistInnen vor. In Berlin erhält das Schwule Überfalltelefon (SÜB) den “CSD-Zivilcouragepreis 2001”. SÜB-Leiter Bastian Finke: “Früher war die Polizei ... aufgrund ihrer Razzien ein rotes Tuch für viele Schwule. Mittlerweile gestaltet sich die Zusammenarbeit mit der Polizei als kritischer Dialog.”

In der CSD-taz mutmaßt Michael Kasiske zur “vermeintlichen Illegalität ... konspirativer Aktionsräume”: “Schwule Räume verschwinden, eben weil sie nicht mehr verboten sind.” Mit ihren Homo-Beamten habe die Polizei “der Tatsache Rechnung getragen, dass das homosexuelle Leben im Park Bestandteil gängiger Verhaltensweisen ist”. Im Hamburger Hinnerk erklärt Reinhard Saß, “Mitbegründer des Schwulen Überfalltelefons/LSVD Hamburg”, die Zusammenarbeit mit der Polizei sei “nicht als Folge der Klappenspiegelaffäre des Jahres 1980”, sondern “zum CSD 1996 zusammen mit dem damaligen SVD-Projekt ‘Schwules Überfalltelefon 19228’” entstanden.


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In einer eMail vom 08.11.2001 19:33:58 (MEZ) Mitteleuropäische Zeit schreibt Dirk:


wir haben in den letzten monaten festgestellt, dass
die polizei vermehrt versucht, schwulen outdoor-sex
bzw. schwule anmache in der oeffentlichkeit mit dem
paragraphen 183 zu sanktionieren. (mehr dazu in der
polizei-nummer der zeitschrift "gigi" unter
www.gigi-online.)